Zwangsversteigerung und Schnäppchenjagd

Ein Reihenhaus in Stuttgart für 600 000 Euro, eine Villa im Vorort für 450 000 Euro – auch bei Immobilien gibt es günstige Gelegenheiten. Und wer statt des Maklers den Richter konsultiert, spart beim Hauskauf besonders: Bei Zwangsversteigerungen am Amtsgericht wechseln Immobilien manchmal für 50 Prozent ihres Verkehrswerts den Besitzer.

Zunächst muss jedoch eindeutig vor überzogenen Erwartungen gewarnt werden. Heutzutage werden die Immobilien zu etwa 90 Prozent des Verkehrswertes versteigert. Vor einiger Zeit lag dieser Wert noch bei 70 Prozent.

Vorbereitung

Doch bei der Schnäppchenjagd sind wichtige Regeln zu beachten. Im Vorfeld sollten Interessenten einige Versteigerungen besuchen, um den Ablauf kennen zu lernen. Über Termine und Objekte informieren Amtsgerichte oder Lokalpresse. Auch ein Check der eigenen Finanzen ist ratsam: Wer sich vorab ein Limit setzt, lässt sich im Eifer des Gefechts nicht zu überteuerten Käufen hinreißen.

Der Wert des Objekts wird zunächst durch einen Gutachter geschätzt. Dabei ist zu beachten, dass bei manchen Objekten keine Innenbesichtigung stattfindet, weil der Schuldner nicht dazu verpflichtet ist eine solche vornehmen zu lassen. Auf jeden Fall sollte Einsicht in das Grundbuch genommen werden um eingetragene Berechtigungen und Gläubiger festzustellen

Versteigerungsablauf

Der Ablauf der Auktion ist streng geregelt. Jeder Teilnehmer muss sich ausweisen und eine Sicherheit in Höhe von zehn Prozent des Verkehrswerts hinterlegen. Dies geschieht regelmäßig mit einem bankbestätigten Scheck.

Der Versteigerungstermin gliedert sich in drei Abschnitte. Im ersten Abschnitt erfolgt eine Reihe von Bekanntmachungen und Hinweisen, insbesondere zum Grundstückswert und zum geringsten Gebot und zu den Versteigerungsbedingungen. Die Erläuterungen des Gerichts zum geringsten Gebot sind außerordentlich wichtig. Nachfragen sind erlaubt und sollten gestellt werden. Das geringste Gebot besteht aus den Verfahrenskosten und den Rechten, die der Erwerber übernehmen muss. Es muss bei der Versteigerung mindestens erreicht werden, sonst kann der Zuschlag nicht erteilt werden. Das geringste Gebot richtet sich nach dem die Zwangsversteigerung betreibenden bestrangigen Gläubiger. Alle diesem Gläubiger im Range vorgehenden Ansprüche bleiben bestehen und müssen vom Erwerber übernommen werden.

Im zweiten Abschnitt nimmt das Gericht mindestens 30 Minuten lang Gebote der Kaufinteressenten entgegen. Im dritten Abschnitt verhandelt das Gericht über den Zuschlag an den Meistbietenden. Hier wird der Zuschlag von Amts wegen versagt, wenn das Meistgebot einschließlich der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte die Hälfte des Verkehrswertes nicht erreicht. Wenn das Meistgebot einschließlich der bestehen bleibenden Rechte sieben Zehntel des Verkehrswertes nicht erreicht, kann ein Gläubiger die Versagung des Zuschlages beantragen, wenn seine Ansprüche durch das Meistgebot ganz oder teilweise nicht gedeckt sind. Beide Grenzen gelten jeweils so lange, bis das Gericht einmal den Zuschlag wegen Nichterreichens einer dieser Grenzen versagt hat. Wurden in einem Termin die fünf Zehntel oder die sieben Zehntel nicht erreicht und daher der Zuschlag versagt, gelten beide im nächsten Termin nicht mehr.

Hat der betreibende Gläubiger im ersten Termin die Einstellung des Verfahrens bewilligt oder wurde überhaupt kein Gebot abgegeben, gelten beide Grenzen auch noch im zweiten Termin, weil die Nichterteilung oder Versagung des Zuschlages nicht mit der Sieben-Zehntel oder Fünf-Zehntel-Grenze zusammenhängt. Auch wenn der betreibende Gläubiger die Einstellung des Verfahrens beantragt, wird der Zuschlag versagt. Dann beraumt das Gericht einen weiteren Versteigerungstermin an.

Der betreibende Gläubiger kann die Einstellung des Verfahrens nur insgesamt dreimal beantragen, wobei jedoch die dritte Einstellungsbewilligung kraft Gesetzes als Rücknahme des Versteigerungsantrages gewertet wird, die dann das Zwangsversteigerungsverfahren endgültig beendet. Wer ein Gebot abgibt, sollte damit rechnen, dass er sogleich eine Sicherheit in Höhe von 10 Prozent des vom Gericht festgesetzten und veröffentlichten Verkehrswertes präsentieren muss. Kann er die Sicherheit nicht beibringen, bleibt sein Gebot unberücksichtigt. Als Sicherheit dienen: bestätigte Bundes- oder Landeszentralbankschecks, Bankverrechnungsschecks, die von einer Bank ausgestellt sein müssen, oder auch Bankbürgschaften. Schecks werden nur akzeptiert, wenn zwischen dem Versteigerungstermin und der Vorlegungsfrist mindestens 3 Tage – nicht notwendig Werktage – liegen, was selbst vielen erfahrenen Bietern nicht geläufig ist. Findet die Versteigerung zum Beispiel an einem Dienstag statt, so muss der Scheck noch am Samstag derselben Woche der Bank vorgelegt werden können. Endet die Vorlagefrist bereits am Freitag, ist er nicht als Sicherheit geeignet. Die Schecks sollte sich ein Bietinteressent erst kurz vor der Versteigerung besorgen.

Aus mancherlei Gründen kann es sinnvoll sein, dass derjenige im Rahmen der Versteigerung nicht in Erscheinung tritt, der die Immobilie tatsächlich erwerben will, zum Beispiel weil er für den Fall seines Mitbietens mit einer starken Gegenwehr eines Konkurrenten rechnet. In diesen Fällen wird gelegentlich ein Strohmann vorgeschoben, was absolut legal und vom Zwangsversteigerungsverfahren auch zugelassen ist. Dies ist möglich, weil der Meistbietende nicht automatisch der neue Eigentümer der Immobilie wird. Das Eigentum geht erst mit dem Zuschlag auf den Erwerber über. Der Zuschlag erfolgt erst nach Schluss der Bietungszeit und auch nicht immer noch am gleichen Tage. Es gibt zwei Möglichkeiten des für den am Erwerb Interessierten, zunächst im dunkeln zu bleiben und doch den Zuschlag zu erhalten. Zum einen kann der Meistbietende seine Rechte aus dem Meistgebot an einen Dritten abtreten, der sodann an seiner Stelle den Zuschlag erhält. Der Meistbietende kann aber auch von vornherein in verdeckter Stellvertretung für einen Dritten bieten und dann bei der Verhandlung über den Zuschlag das Vertretungsverhältnis in notarieller Form nachweisen. Der Erwerber kann also, wenn er sich mit dem Strohmann einig ist, bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Meistgebot feststeht, im Hintergrund bleiben. Es muss dann allerdings einkalkuliert werden, dass die Grunderwerbsteuer doppelt anfällt, nämlich sowohl für den Meistbietenden als auch denjenigen, der den Zuschlag erhält.

Nicht selten wird eine Immobilie erworben, um sie selbst zu beziehen. Ist sie frei, stellen sich keine Probleme. Bewohnt der frühere Eigentümer die Wohnung, so kann der Erwerber die Räumung mittels des Zuschlagbeschlusses herbeiführen. Dieser weist ihn nicht nur als neuen Eigentümer aus, sondern stellt für ihn auch einen Räumungstitel dar, mit dem er den Gerichtsvollzieher mit der Räumung beauftragen kann. Ist die Wohnung vermietet, muss der Erwerber sorgsam vorgehen. Der Erwerber kann das Mietverhältnis in der Regel wegen Eigenbedarfs kündigen. Ist der Mietvertrag zeitlich befristet, so muss die Kündigung unverzüglich, das heißt möglichst noch in dem Monat des Zuschlages oder in den ersten drei Werktagen des darauf folgenden Monats ausgesprochen werden, weil der Mieter sich ansonsten auf die Befristung berufen kann, die eine Eigenbedarfskündigung ausschließt.

Falsch ist die weit verbreitete Meinung, nach der Zwangsversteigerung könne ein Wohnraummietverhältnis auch ohne Grund gekündigt werden. Immer ist ein berechtigtes Interesse gemäß Paragraph 573 Absatz 2 BGB erforderlich, also in der Regel Eigenbedarf. Anders verhält es sich bei Gewerberaummietverhältnissen, denn diese können ohne Grund gekündigt werden. Sind sie befristet, kann eine Kündigung gleichwohl mit der gesetzlichen Frist erfolgen, die sich aus Paragraph 573d BGB ergibt. Dann muss allerdings die Kündigung nach dem Zuschlag zum nächst zulässigen Termin erfolgen, wobei der Zugang der Kündigungserklärung maßgeblich ist.

Manche Eigentümer, für deren Immobilie die Zwangsversteigerung droht, sind nicht nur in der Verzögerung des Versteigerungsverfahrens außerordentlich erfindungsreich, sondern auch in der Mietvertragsgestaltung mit nahen Angehörigen, um Kaufinteressenten abzuschrecken oder zu benachteiligen. In solchen Fällen ist es notwendig, den Mietvertrag für die Immobilie zu prüfen. Enthält der Mietvertrag Vereinbarungen über die Verrechnung von Mieten gegen Beträge, die der Mieter dem Vermieter zur Verfügung gestellt haben will, zum Beispiel für den Aus- oder Umbau der Immobilie, ist höchste Vorsicht geboten. In manchen Fällen muss sich der Erwerber eine solche Vereinbarung entgegenhalten lassen, was dann dazu führt, dass der Mieter für eine bestimmte Zeit oder gar auf Dauer für die Nutzung der Immobilie keinen Mietzins zu entrichten hat oder der Vermieter mit der nach dem Zwangsversteigerungsgesetz möglichen Kündigung des Mietverhältnisses ganz oder zeitweise ausgeschlossen ist.

Kosten

Interessenten mit guten Nerven können dann in den Folgeterminen besonders günstig wegkommen. Dort sind keine gesetzlichen Mindestgebote mehr notwendig. Wer nach der halbstündigen Bietfrist das höchste Gebot abgegeben hat, erhält den Zuschlag und wird noch im Gerichtssaal neuer Eigentümer. Fällig wird nur noch eine Gebühr für Grundbucheintragungen von 0,5 Prozent des Kaufpreises.

Nachdem das Gericht den Zuschlag erteilt hat bestimmt es einen weiteren Termin für die Verteilung des Versteigerungserlöses unter den Beteiligten. Bis zu diesem Termin hat der Erwerber den Kaufpreis aufzubringen und das Geld bei Gericht einzuzahlen.